2014 Open-Air-Aufführung des "Freischütz"

Opernkunst trifft den Geschmack

Mit witzigen Details garniert wurde "Der Freischütz" im Müllheimer Open Air zum Erlebnis für die begeisterten Zuhörer (veröffentlicht  am 21. Juli 2014 auf badische-zeitung.de)

Eine professionelle Hochleistung

Weiler Zeitung, 21.07.2014 03:00 Uhr

Jetzt gilt’s: Kaspar (r.) und Max gießen in der Wolfsschlucht das magische Geschoss, Samiel (hinten) schaut zu. Foto: Dorothee Philipp
Jetzt gilt’s: Kaspar (r.) und Max gießen in der Wolfsschlucht das magische Geschoss, Samiel (hinten) schaut zu. Foto: Dorothee Philipp

Von Dorothee Philipp

 

Müllheim. So wild und dramatisch wurde selten die Freikugel gegossen: Der Höhepunkt der Weber-Oper „Der Freischütz“ geriet in der Müllheimer Open-Air-Aufführung zu einem Grusel-Highlight. Doch auch der Rest der Oper war gelungen. Schöne Musik, ein stimmiges Bühnenbild, tolle Kostüme, witzige in die Handlung eingeschmuggelte Details und nicht zuletzt die großartigen Solisten trugen zu einem stimmigen Ganzen bei, das sich vor den Produktionen großer Häuser nicht zu verstecken braucht.

Gleich zu Beginn punktet die Aufführung noch mit dem Umstand, dass rund um den Markgräfler Platz eine für solche Zwecke geradezu fantastische Architektur angesiedelt ist: Von der Treppe des „C.L.“ herab bewegt sich der Triumphzug mit Schützenkönig Kilian (André Schann) durch die Menge zur Bühne mit Johlen und Lachen. Später wird Jägerbursche Max (Regisseur Ingo Anders) an einer himmelhohen Leiter eine Arie schmetternd vom Balkon dieses Hauses in die Wolfsschlucht herabsteigen, die sich auf einer Eingangstreppe gegenüber als Nebenbühne materialisiert hat. Hier brennt natürlich ein echtes Feuer, als Kaspar (Andy Murphy) und Max unter der Aufsicht von Samiel (Detlev H. F. Pawlik) die Kugel gießen, die dämonische Kräfte besitzt.

Spannung und Pep erhält die Inszenierung durch eine fortlaufende witzige Selbstironie: Samiel scheint ein Sonnenbrillen-Freak zu sein, eine ganze Anzahl davon stecken in seinem Hemdkragen. Damit sieht der erst ungnädige und dann gnädige Fürst Ottokar (Hendrik Köhler) in seinem Anzug mit Hut und schwerer Armbanduhr wie ein Mafia-Boss aus. Auch Samiels Gehilfe, der 13-jährige Julian Köhler, könnte bei „Men in Black“ auftreten.

Ein toller Regie-Trick ist es, die weibliche Hauptrolle Agathe (Franziska Gündert) im Kontrast zu ihrer Verwandten und Freundin Ännchen (Andrea Suter) ein bisschen wie ein Mauerblümchen wirken zu lassen, während Ännchen in ihrem knallgelben Bond-Girl-Hosenanzug eine scharfe Nummer ist. Beim Happy-End-Massenauflauf flirtet sie unverhohlen mit Kilian. Stimmlich sind beide Sopranistinnen ein Glanzlicht, kraftvoll, klar, mit unglaublichen Höhen und wendigen Koloraturen. Kuno, der Erbförster (Vivian Zatta) gibt mit seinen Kniebundhosen und der Jägerjoppe den rechtschaffenen Vater und Untertanen, der sich dem fürstlichen Willen beugt. Die Wende in Ottokars Meinung zu dem mit bösen Mächten paktierenden Max bringt der Eremit: Spät tritt er auf, aber dann mit Macht. Dietmar Renner verkörpert mit seinem mächtigen Bass und der hochgewachsenen Gestalt die unangefochtene Autorität des Glaubens, seine Aufmachung in zerrissenem Lederwams mit Wanderrucksack, Shorts und Sandalen, das Klischee vom archaischen Propheten, ist eine Wucht.

Nicht nur Beiwerk, sondern tragendes Element sind die Auftritte der Schülergruppen des Markgräfler Gymnasiums Müllheim. Die Musikprofilklasse verleiht nicht nur der Szene mit dem „Jungfernkranz“ einen jugendlichen Charme, auch im ersten Aufzug treten die „Brautjungfern“ als pantomimische Hornistinnen auf, ein spritziger Einfall! Die Klasse 6a hat sich in Geister und wilde Tiere verwandelt, die der Wolfsschlucht-Szene den echten Grusel-Kick geben. Toni Martins Bühnenbild arbeitet mit poppigen Farben, gerade bei den Zimmer-Szenen, ansonsten mit einem angedeuteten Wald hinter dem ein schlafendes Gesicht – vielleicht der Mann im Mond? – zu erahnen ist.

Das Markgräfler Symphonieorchester unter der Leitung von Uwe Müller-Feser gab Webers Musik Tiefe und Volumen, schön austariert waren die einzelnen Register, die Hörner waren den durch das Jagd-Ambiente gesteigerten Anforderungen des Komponisten zumeist gewachsen. Der in ansehnlicher Mannschaftsstärke auftretende Projektchor stimmlich bestens aufgestellt, trug bühnenwirksam zur Opulenz der Inszenierung bei. Die Breite der beiden nebeneinander liegenden Bühnen von Orchester und Theater schlug allerdings dem Jägerchor ein Schnippchen: Hier herrschte die Tendenz der begeisterten Sänger, beim „Joho lalala“ dem Orchester davonzulaufen.

Insgesamt zeichnete sich die Müllheimer Inszenierung, genau wie vor drei Jahren die „Zauberflöte“, durch eine akribisch genaue Vorbereitung, viel Platz für spritzige Details und eine professionelle Hochleistung aus, die von der Begeisterung der 300 Akteure befeuert wurde. Das Publikum applaudierte begeistert.

Weiterführende Informationen und Bilder vom "Freischütz" finden Sie hier.

Orchester dankt dem Freischütz-Publikum

MÜLLHEIM (BZ, 22.07.2014). Das Markgräfler Symphonieorchester möchte sich bei den vielen Zuschauern, die am Sonntag zur Aufführung der Oper "Der Freischütz" auf den Markgräfler Platz gekommen sind und auch bei Starkregen und Gewitter bis zum Abbruch der Veranstaltung 15 Minuten vor Schluss durchgehalten haben, in besonderer Weise mit einer kleinen Anerkennung bedanken. Wie genau diese aussehen soll, steht zwar noch nicht fest, das MSO bittet Interessierte, aber schon mal vorsorglich darum, die gebrauchten Tickets vom Sonntag zum Einlösen aufzuheben und auf nähere Ankündigungen in der BZ zu achten oder sich auf der Homepage des Orchesters (http://www.markgraefler-symphonieorchester.de) zu informieren.